Mit den „Aktionstagen Gefängnis“ sollen die Realitäten hinter Gittern sichtbar gemacht und die gesellschaftliche und politische Funktion von Strafe und Gefängnis kritisch hinterfragt werden. Es soll aber auch eine Vernetzung und Organisierung derjenigen Initiativen, Gruppen, Verbände und Einzelpersonen gefördert werden, die Gefangene bei der Wahrnehmung ihrer Interessen unterstützen und/oder sich strafvollzugspolitisch engagieren.

ANGEFANGEN!
Selbstorganisation / Mindestlohn / Sozialversicherung

Als Auftakt fand am 07.11.2017 eine Pressekonferenz in den Räumen des Deutschen Caritasverbandes in Berlin statt.

Bis heute unterliegen die meisten Strafgefangenen in der Bundesrepublik Deutschland einer gesetzlichen Arbeitspflicht. Die Arbeitsentgelte in Haft sind gering (ca. 1-1,50 €/Std.), sie liegen weit unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns. Straffällig gewordenen Frauen und Männern wird so die Möglichkeit vorenthalten, sich während der Haft aus eigener Kraft eine bessere Zukunftsperspektive aufzubauen.

Für diese Zwangsarbeit (Art. 12 Abs. 3 Grundgesetz) werden zudem keine Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet. Trotz geleisteter Arbeit fehlen die Jahre der Inhaftierung für den Rentenanspruch. Auch dies bedeutet eine besondere Härte für viele Gefangene. Altersarmut ist bei langen Haftstrafen vorprogrammiert.

Um dies zu ändern, organisieren sich Gefangene. Vor einigen Jahren haben sie eine eigene Gewerkschaft gegründet. Sie kämpfen für ihre oft vorenthaltenen Rechte und treffen hierbei auf erhebliche Widerstände. Die Möglichkeiten der Selbstorganisation von Gefangenen und der gewerkschaftlichen Arbeit werden von der Justiz vielerorts eingeschränkt und behindert.

Jean Caël, Leiter des département Prison-Justice bei Secours Catholique (Caritas Frankreich) stellte zum Auftakt der Veranstaltung die Journées Nationales Prison vor, die es in Frankreich seit 1992 gibt: „Die Veranstaltungen im Rahmen der Aktionstage Gefängnis sollen die Öffentlichkeit, die sich in allen Ländern immer leichter mit den Opfern als mit den Tätern identifiziert, aufklären. Sie sollen Vorurteile entkräften und daran erinnern, dass jeder Mensch einen Anspruch auf Würde hat und nicht allein auf seine Tat reduziert werden darf. Die Aktionstage haben zum Ziel, sowohl die Mitbürger davon zu überzeugen, dass es im eigenen Interesse wichtig ist, straffällig gewordenen Menschen die Rückkehr in die Gesellschaft zu ermöglichen als auch zu zeigen, dass Vereine einen bedeutenden Beitrag zur Reintegration leisten können.“

Im Anschluss fand eine Podiumsdiskussion zu den Themen Selbstorganisation, Mindestlohn und Sozialversicherung statt. Auf dem Podium diskutierten Oliver Rast (GG/BO – Gefangenen-Gewerkschaft – Bundesweite Organisation ), Martina Franke (GG/BO, Soligruppe Berlin), Rechtsanwalt Dr. Sven-Uwe Burkhardt (Vertretungsprofessor an der Fachhochschule Dortmund) und Günter Danek (Vorstandsmitglied der Katholischen Bundes-Arbeitsgemeinschaft Straffälligenhilfe). Moderiert wurde die Diskussion von Karin Vorhoff (Leiterin des Referates Sozialraum, Engagement, Besondere Lebenslagen im Deutschen Caritasverband).

Die Diskutierenden waren sich einig, dass die extrem niedrigen Entgelte für die Zwangsarbeit (Art. 12 GG) im Gefängnis deutlich erhöht werden müssen. In diesem Kontext gehe es auch darum, so die Vertreter(innen) auf dem Podium, die vor vier Jahrzehnten versprochene Einbindung der Gefangenen in die Rentenversicherung umzusetzen. Denn eine längere Freiheitsstrafe führt heute fast zwangsläufig in Altersarmut nach der Entlassung. Viele straffällig gewordene Menschen sind im Alter auf die Grundsicherung angewiesen. Der Resozialisierungsgedanke im Strafvollzug gebiete es, Inhaftierte dazu zu befähigen und darin zu stärken, Verantwortung für die eigene Zukunft zu übernehmen. Eine Rentenanwartschaft ist dabei ein wichtiger Baustein.

Die Schwierigkeiten, mit denen Gefangene konfrontiert sind, wenn sie sich in der Haft organisieren möchten, wurden am Beispiel der Gefangenengewerkschaft / Bundesweite Organisation diskutiert. Die Vertreter(innen) der GG/BO beklagten, dass die gewerkschaftliche Arbeit vielerorts einschränkt oder behindert wird und forderten die volle Gewerkschaftsfreiheit im Gefängnis.

Die Zukunftsperspektive des Bündnisses „Aktionstage Gefängnis“ wurde zum Schluss von Anaïs Denigot (BAG-S) vorgestellt. Angelehnt an das französische Modell der „Journées Nationales Prison“ möchte das Bündnis zukünftig sowohl kleine Vereine und Initiativen als auch große Organisationen und Verbände motivieren, lokale Veranstaltungen zu organisieren. Diese Einzelveranstaltungen sollen über das Leben im Gefängnis informieren, aber auch dazu anregen, über die Funktion des Gefängnissystems in unserer Gesellschaft kritisch nachzudenken. Damit sollen die Auswirkungen der Freiheitsstrafe – und mit ihr die des Gefängnisses als System – für die Öffentlichkeit sichtbar werden und eine Basis zur Formulierung politischer Reformbedarfe geschaffen werden.