Die Katholische Bundes-Arbeitsgemeinschaft Straffälligenhilfe (KAGS) hat sich in der Vergangenheit mehrfach mit Gesetzentwürfen zur Sicherungsverwahrung befasst und sich zu den darin regelmäßig intendierten Verschärfungen und Ausweitungen der Anordnungsvoraussetzungen kritisch positioniert.
Im Dezember 2009 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR Nr. 19359/04) festgestellt, dass die deutsche Sicherungsverwahrung mit den Europäischen Menschenrechtskonventionen nicht vereinbar ist. Daraufhin hat der Gesetzgeber zum 01. Januar 2011 Änderungen am Recht der Sicherungsverwahrung beschlossen. Inhalt dieser Neuordnung waren im Wesentlichen die weitgehende Ablösung der nachträglichen Sicherungsverwahrung durch einen Ausbau der vorbehaltenen Anordnungsmöglichkeit und eine Beschränkung der Anlasstaten. Außerdem sollte mit dem neu eingeführten Therapie- Unterbringungsgesetz (ThUG) eine Möglichkeit geschaffen werden, die ansonsten nach dem Urteilsspruch des EGMR zu entlassenden oder bereits entlassenen Sicherungsverwahrten auf anderem Wege sicher unterzubringen.

In einem weiteren Urteil hat das Bundesverfassungsgericht am 04.05.2011 (2 BvR 2365/09 u.a) alle gesetzlichen Regelungen zur Sicherungsverwahrung für verfassungswidrig erklärt und eine völlige Neuordnung der Sicherungsverwahrung verlangt.

Der EGMR und das BVerfG stellen übereinstimmend fest, dass in der aktuellen Vollzugspraxis die Sicherungsverwahrung faktisch vom Strafvollzug nicht zu unterscheiden ist und das Abstandsgebot nicht ausreichend umgesetzt wird. Für die Zukunft fordert das BVerfG ein freiheitsorientiertes und therapeutisches Gesamtkonzept für die Sicherungsverwahrung ein, das bereits in der Strafhaft umgesetzt werden soll (Rn 120). Die Gesetzgeber auf Bundes- und Länderebene werden aufgefordert die fünf Leitlinien / Prinzipien einzuhalten (vgl. Begründung Teil B, Seite 19):

  • Individualisierungs- und Intensivierungsgebot
  • Motivierungsgebot
  • Trennungsgebot
  • Minimierungsgebot
  • Ultima-Ratio-Prinzip

Die KAGS schließt sich der Auffassung des EGMR und des BVerfG an, dass aufgrund der Vollzugspraxis, die Sicherungsverwahrung faktisch den Charakter einer Strafe hat, und teilt die Kritik der Gerichte an dem bisherigen System der Sicherungsverwahrung. Wir sehen durch die o.g. Urteile in unserer Einschätzung bestätigt, dass das aktuell gültige System der Sicherungsverwahrung verfassungswidrig ist.

Die KAGS begrüßt, dass die langjährige Praxis der stetigen Verschärfung der Sicherungsverwahrung endlich beendet und durch die Urteile der lange überfällige Prozess des Umdenkens und der Neuorientierung eingeleitet wird. Diesen Reformprozess begrüßen wir sehr und möchten uns mit der vorliegenden Stellungnahme konstruktiv beteiligen.

Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung (Stand: 09.11.2011)

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