Gesetzliche Regelungen zum Vollzug der Untersuchungshaft gibt es erst, seit die seit 1953 geltende und 1976 neu gefasste Untersuchungshaftvollzugsordnung (UVollzO) zwischen 2008 und 2012 durch Landesgesetze zum Untersuchungshaftvollzug ersetzt wurde. Die fehlenden gesetzlichen Regelungen führten in der Praxis zu dem unerträglichen Zustand, dass in der Untersuchungshaft häufig schlechtere Haftbedingungen vorzufinden waren als in der Strafhaft. Da Untersuchungshaft das härteste strafprozessuale Zwangsmittel darstellt, unterliegt sie dem besonderen Schutz des Grundgesetzes. Das Prinzip der Unschuldsvermutung, nach dem jeder Bürger und jede Bürgerin bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung als unschuldig zu gelten hat, fordert, dass bereits bei der Verhängung der Untersuchungshaft strengste rechtsstaatliche Maßstäbe angelegt werden und beim Vollzug der Untersuchungshaft jeder Anschein von Strafe zu vermeiden ist. Untersuchungshaft darf auch nur dann angeordnet werden, wenn keine andere Maßnahme der Verfahrens- und Vollstreckungssicherung ausreichend ist. In der Praxis, und dies lässt sich auch durch die kriminologische Forschung zeigen, dient die Verhängung der Untersuchungshaft nicht immer nur der Verfahrenssicherung. Sie wird auch mit apokryphen Haftgründen legitimiert oder verfolgt andere kriminalpolitische Ziele.

Gemeinsam mit der Evangelischen Konferenz für Straffälligenhilfe (EKS) und den Bundeskonferenzen der Evangelischen und Katholischen Gefängnisseelsorge hat die KAGS Grundsätze für einen menschenwürdigen Vollzug der Untersuchungshaft formuliert und den Gesetzgeber aufgefordert, diese bei der Ausgestaltung der gesetzlichen Regelungen zu berücksichtigen:

  1. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip gilt nicht nur für die Anordnung, sondern auch für die Ausgestaltung des Untersuchungshaftvollzugs. Den Untersuchungshaftgefangenen dürfen nur die Beschränkungen auferlegt werden, die für die konkrete Verfahrens- und Vollstreckungssicherung unerlässlich sind. Interessen der Wahrung von Sicherheit und Ordnung einer Anstalt dürfen nicht als „Generalabsolution“ für Einschränkungen der Persönlichkeitsrechte dienen.
  2. Untersuchungshaft muss soweit wie möglich individuell ausgestaltet werden. Hierzu gehört insbesondere auch, bei der Aufnahme in die Untersuchungshaft die individuell unterschiedlichen Bedürfnisse z.B. nach Besuch oder Kleidung nach Möglichkeit zu berücksichtigen. Soziale Hilfen zur Förderung der persönlichen Entwicklung und zur Verbesserung der sozialen Situation sollten dem Einzelfall gerecht werden.
  3. Die Vollzugsgestaltung muss sich am jeweiligen Haftgrund orientieren. Kontakte mit der Außenwelt können beispielsweise bei einer Inhaftierung wegen Fluchtgefahr wesentlich großzügiger gestaltet werden als beim Vorliegen des Haftgrunds „Verdunklungsgefahr“. Die Stellung der Gefangenen gebietet es, Untersuchungs- und Strafgefangene konsequent zu trennen.
  4. Das Leben im Vollzug ist den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie möglich anzugleichen, um schädlichen Folgen der Inhaftierung von vornherein entgegenzuwirken. Hierbei ist insbesondere auf Beratungs-, Bildungs-, Kommunikations- und Freizeitangebote zu achten. Zur Vermeidung von Entsozialisierung sollten solche Angebote notwendigerweise auf alle Untersuchungshaftgefangenen erstreckt werden.

Als ein weiteres kriminalpolitisches Ziel bei der Untersuchungshaft möchte die KAGS die Inhaftierung bei Jugendlichen und Heranwachsenden wegen der schädlichen Wirkung möglichst vermeiden. Insbesondere bei Jugendlichen sollten die in §§ 71/72 Jugendgerichtsgesetz eröffneten Möglichkeiten genutzt werden, diese in Einrichtungen der Jugendhilfe unterzubringen.

Gemeinsame Stellungnahme zum vorläufigen Referentenentwurf eines Gesetzes über den Vollzug der Untersuchungshaft (UVollzG-E)

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